Der MOND im Tarot

Themen: Bewusstseinsschwelle - Wachstum - Prägung - Heilung

Erkenne dich selbst und komm heim.

Oh Luna! Als Astrologin und Tarotlogin bin ich dem MOND schon hundertmal begegnet. Habe ich deswegen das Gefühl, dass ich ihn vollständig begreifen oder verstehen kann? Nein. Der MOND ist schwer fassbar, geheimnisvoll und wandelbar und zeigt sich mir immer wieder mit einem neuen Gesicht und in neuen Bedeutungsaspekten. Bei aller Betrachtung bleibt LUNA eine zutiefst psychologische Tarot-Karte und eine alte, stets rätselhafte Freundin.

Im Tarot ist der MOND eine der höchsten Karten der Großen Arkana und trägt die Nummer XVIII. Bevor wir uns in großen Schritten auf die Vollendung eines Zyklus in DIE WELT XXI zubewegen, müssen wir düstere Gefilde unserer Seelenlandschaft durchqueren. Die Karte zeigt eine Mondsichel mit dem Gesicht einer älteren Frau, die nach links blickt, die Richtung, die in der klassischen westlichen Kunst die Vergangenheit markiert. Bereits hier offenbart sich die Kernbotschaft des Monds: "Um in deine Zukunft zu wachsen, musst du auf deine Vergangenheit blicken." 

Um dies zu verdeutlichen, wirft der MOND sein silbriges Licht auf eine geheimnisvolle Landschaft. Im Vordergrund sehen wir das Ufer eines unbekannten Gewässers, das den tiefen Ozean des Unterbewusstseins symbolisiert. Ein Krebs kriecht langsam aus dem Wasser auf einen Weg, der von zwei wilden Tieren (sie werden als Hunde, Wölfe oder Schakale gedeutet) und - weiter in der Ferne - von zwei Türmen flankiert wird.

In der Folge der 22. Großen Arkana befindet sich der MOND zwischen dem lieblichen STERN XVII und der strahlenden SONNE XVIIII, die beide in den meisten Fällen ein sehr willkommener Anblick in einer Legung sind. Mit dem STERN, der seine Fülle vergießt, erhaschten wir einen Blick auf das gelobte Land. Wir haben uns daran erinnert, dass das, was wir uns am meisten wünschen, schon immer unser Geburtsrecht war. Doch bevor wir damit beginnen, unsere inneren Anlagen in der Welt zu verwirklichen  (das Thema der SONNE), müssen wir die unbewussten Dynamiken verstehen und integrieren, die uns bislang zurückgehalten haben.

Genau das ist LUNA’s Aufgabe. Wie ein Magnet zieht der therapeutisch wirkende MOND die alten Emotionen, Prägungen und Zwangsvorstellungen an die Oberfläche, die uns daran hindern, wirklich präsent zu werden und unseren Möglichkeiten gemäß zu leben. So markier der Weg auf der Tarotkarte den entscheidenden Übergang vom Reich des Unterbewusstseins in unser erwachsenes Bewusstsein.

Solange Unbewusstes nicht bewusst ist, lenkt es dein Leben und Du nennst es Schicksal.
— C. G. Jung

Ist das leicht? Nein. Es erfordert Mut, dem Mond ins Gesicht zu sehen. Der Erdtrabant, der das Licht der Sonne am Nachthimmel reflektiert, wurde in der antiken Mythologie oft mit einem heiligen Spiegel verglichen. Im Tarot ist LUNA die große Psychotherapeutin, die uns sanft, aber unnachgiebig unsere Schattenanteile und Projektionen zurückspiegelt.

Mit Projektion meinen wir den unbewussten Prozess, durch den wir vermeintlich unannehmbare Gefühle, Impulse und Qualitäten jemand anderem zuschreiben, damit wir uns nicht mit ihnen auseinandersetzen müssen. Die Macht, die ich auf andere Frauen projiziere, damit ich mein Selbstbild eines "guten Mädchens" stabilisieren kann. Die latente Wut, die ich mir nicht eingestehe, sondern auf meine Partner*innen projiziere, indem ich so unbewusst wie beharrlich "bad boys" oder "Furien" wähle.

Werde zu dem, was Du damals nicht sein durftest.
— der Mond

Der Mond ermutigt dich, dir die Gesamtheit deiner Persönlichkeit, deiner Qualitäten und Gefühle zurückzuerobern und gerade auch das willkommen zu heißen, was in der Vergangenheit inakzeptabel schien. Die düstere Atmosphäre auf der Karte verdeutlicht die Angst, die dieser bedeutsame Schritt des Individuationsprozesses hervorrufen kann. Diese Gefühle sind aber kein Problem, sondern Teil des Prozesses. Die tibetische Nonne und Autorin Pema Chödrön erinnert uns: "Angst ist eine natürliche Reaktion darauf, der Wahrheit nahe zu kommen.”

Sehr oft haben diese Ängste ihren Ursprung in unserer Kindheit, eine Tatsache, die uns zur astrologischen Interpretation des Mondes führt. In unserem Horoskop verweisen der MOND und das ihm zugeordnete, vierte Haus auf unsere frühkindliche Prägung und die Art und Weise, wie wir unseren familiären Hintergrund erlebt haben.

Das Zeichen und die Stellung des MONDES beleuchten unsere Erziehung, unsere Wurzeln, unsere Grundbedürfnisse und die unbewussten Wahrheiten und Verhaltensweisen, die wir buchstäblich in die Wiege gelegt bekommen haben.

Es geht um das Umfeld, die Rollen und die Bindungsmuster, die wir als "normal" empfunden haben und die – solange sie unbewusst und unhinterfragt bleiben - hochgradig wirksam in uns sind. 

Glauben wir, dass Konflikte zu einem gesunden Umfeld gehören, oder haben wir darunter gelitten, wenn in unserer Umgebung gestritten wurde? Finden wir, dass es normal ist, im Überfluss zu schwelgen oder im Mangel zu leben? Erwarten wir, dass unsere Bedürfnisse von anderen befriedigt werden, oder haben wir schon früh gelernt, die Bedürfnisse derer zu bedienen, die uns nahestehen?

In vielerlei Hinsicht ähnelt der MOND in unserem Horoskop dem, was die Psychologie heute das "innere Kind" nennt. Eine Metapher für einen jungen Teil unserer Psyche, der die Art und Weise beeinflusst, wie wir als Erwachsene handeln, lieben und leben. 

Ich persönlich bin der Meinung, dass die „Sorge-Arbeit“, die dieser sensible und verletzliche Teil erfordert, gegenwärtig überbetont wird. Natürlich braucht es Zeit und Sorgfalt, um eine stabile Verbindung zu unserem MOND aufzubauen. Doch wenn wir das tun, gewinnen wir einen äußerst liebevollen, sanften, freudigen, fürsorglichen, spielerischen, kreativen, intuitiven, neugierigen, verbundenen, visionären und lebendigen Teil unseres Selbst zurück.

Der Mond bewegt den Ozean, und kann auch uns auf Schönste bewegen.

Wenn wir in unseren Mond hineinwachsen, verschwenden wir immer weniger Energie darauf, unsere Intuitionen, Stimmungen, Bedürfnisse und Gefühle zu unterdrücken. Aber wir werden auch nicht länger von ihnen überwältigt oder unbewusst getrieben.

Monat für Monat, Zyklus für Zyklus lehrt uns der MOND, wie wir einen sicheren Raum in uns schaffen können, in dem wir für uns Selbst empfänglich werden und nach und nach die Gesamtheit unserer Empfindungen und Lebenskraft halten können.

Je nach dem individuellen Charakter und der Platzierung des persönlichen Geburts-MOONs kann dieser innere Raum eher physischer oder spiritueller Natur sein. Meine Klienten vergleichen ihn mit Tempeln, Zelten, Cafés, Gärten, Höhlen, Schlössern, Nestern oder Lagerfeuern.

Alle stimmen jedoch in dem Gefühl überein, das der Kontakt mit diesem inneren Ort auslöst: „Als würde ich endlich nach Hause kommen…” 

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